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Sinkende Kinderzahlen nutzen und die Bildungsqualität in Kitas stärken

Symbolbild: Fröhliche Kinder im Kindergarten (Iryna AI - stock.adobe.com)

Der Geburtenrückgang hat weitreichende Folgen für die Kita-Landschaft in Sachsen, denn der gesetzlich verankerte Personalschlüssel führt bei weniger Kindern automatisch zu weniger Personal. Friderun Hornschild, Referentin für Bildung, erklärt im Interview, was jetzt notwendig ist, um die sinkenden Kinderzahlen als Chance für Bildungsqualität zu nutzen und warum dies eines unserer TOP-Themen im Wahljahr 2024 ist.

Friderun Hornschild, warum sind sinkende Kinderzahlen derzeit ein so drängendes Thema?

Friderun Hornschild: Weil uns die Entwicklung derzeit überholt. Wir erleben in den letzten Jahren einen Geburtenrückgang in ganz Deutschland. In Sachsen hat sich der Geburtenknick seit 2021 verstärkt. Das Kultusministerium prognostiziert, dass die Zahl der Kinder unter sechs Jahren bis 2025 um etwa zehn Prozent zurückgehen wird. Ein Grund dafür sind die geburtenschwachen Jahrgänge der 1990er Jahre, die jetzt Familien gründen. Auf diese grundlegende Veränderung muss Politik zügig reagieren. Denn für viele Kitas hat diese Entwicklung schon jetzt drastische Auswirkungen. 

Der gesetzliche Personalschlüssel bildet aktuell nicht das reale Verhältnis von Kindern pro Fachkraft im Alltag ab. Hinzu kommt, bei weniger Kindern wird weniger Personal finanziert. Viele Einrichtungen müssen deshalb Personal in Teilzeit schicken oder sogar entlassen, was wiederum zu kürzeren Öffnungszeiten führt. In einigen Regionen drohen bereits Kita-Schließungen. Davon sind vor allem die kleineren Einrichtungen betroffen. Das ist problematisch für die Kitas, aber auch für die Eltern, die auf einen wohnortnahen Kita-Platz mit optimalen Betreuungszeiten angewiesen sind, um Familie und Beruf vereinbaren zu können.

Der Personalschlüssel ist ein heiß diskutiertes Thema in Sachsens Bildungspolitik. Seit Jahren werden deutliche Verbesserungen gefordert. Warum rückt der Paritätische jetzt die sinkenden Kinderzahlen so in den Fokus?

Friderun Hornschild: Ohne Frage, der Personalschlüssel muss besser und auch ehrlicher werden. Da sind sich alle Expert*innen und Fachkräfte einig. Das bleibt weiterhin unser Ziel. Durch die aktuelle Entwicklung spitzt sich die Situation jedoch zu, weil der Personalschlüssel den Kitas bei weniger Kindern zum Verhängnis wird. Jahrelang hat Sachsen um jede Fachkraft händeringend geworben und jetzt müssen Erzieher*innen entlassen werden? Das kann nicht sein. Daher setzten wir uns dafür ein, die sinkenden Kinderzahlen dafür zu nutzen, die Fachkraft-Kind-Relation zu verbessern. Dafür muss das vorhandene Kita-Personal jedoch in den Einrichtungen gehalten werden. Die sinkenden Kinderzahlen bieten endlich eine Chance, das Personal zu entlasten und im Team mehr Zeit für die vielfältigen Aufgaben zu haben. Endlich mal nicht am Limit zu arbeiten, sondern mehr Zeit für die Kinder oder beispielsweise auch für Weiterbildungen zu haben. Wenn die Landespolitik jetzt nicht reagiert, gehen unseren Berechnungen nach bis zum Jahr 2030 in Sachsen mindestens 5.000 Vollzeit-Fachkräfte verloren. Das wäre eine Entwicklung in die vollkommen falsche Richtung, die wir nicht hinnehmen können! Sachsen muss jetzt die Chance ergreifen, die durch zurückgehende Kinderzahlen freiwerdenden Ressourcen für die Bildungsqualität einzusetzen.

Gibt es schon Lösungsvorschläge aus der Landespolitik?

Friderun Hornschild: Die Debatte dazu ist eröffnet, seitdem CDU-Bildungsminister Christian Piwarz im Sommer letzten Jahres den Begriff der „demografischen Dividende“ in den Raum gestellt hat. Er meint damit, dass der Freistaat die sinkenden Kinderzahlen als Dividende zur Entlastung der Kitas nutzen soll. Seither ist jedoch nichts passiert. Die Absichtserklärung bleibt vage und entfaltet in den Kitas vor Ort keinerlei Wirkung. Denn das Kita-Gesetz lässt keine anderweitige Verwendung der Mittel zu. Ein Teil des Geldes für Kitas-Personal bleibt deshalb auf der Landesebene liegen – es ist da, kann aber nicht ausgegeben werden. Wir sehen daher die Notwendigkeit, das Kitagesetz so anzupassen, dass eine dynamische Förderung möglich wird. Die Zeit drängt. Es muss endlich eine lösungsorientierte, ehrliche Diskussion geben. Wir werden unseren Vorschlag in die politische Debatte einbringen, das Gespräch suchen und sind offen für andere Lösungen. Hauptsache, das wichtige Thema wird nicht weiter aufgeschoben.


So soll die Bildungsqualität in Kitas in Sachsen 2030 gestärkt sein:

  • Die sinkenden Kinderzahlen werden als Chance verstanden und dafür genutzt, mehr Bildungsqualität und bessere Arbeitsbedingungen in sächsischen Kitas zu ermöglichen.
  • Der Personalschlüssel (Fachkraft-Kind-Relation) im sächsischen Kitagesetz wird verbessert.
  • Mit einer sofortigen dynamischen Erhöhung um mindestens 0,04 Vollzeitkräfte pro Jahr bis 2030 wird Personal gehalten und das aktuelle Betreuungsangebot vor Ort auch bei sinkenden Kinderzahlen stabilisiert.

Lesen Sie hier das Positionspapier „Sinkende Kinderzahlen als Chance für die Bildungsqualität in Kitas“.

Kontakt:

Friderun Hornschild (Referat Bildung)

Tel.: 0351 - 828 71 146
E-Mail: friderun.hornschild(at)parisax.de


Das Interview führte Tina Siebeneicher, Referentin für Verbandskommunikation.